Kolumbien brauchte über 50 Jahre Krieg, um zu
bemerken, dass eine verantwortliche Agrarpolitik unabdingbar ist, um eine
Entwicklung des Landes zu generieren und den Treibstoff des Krieges zu löschen.
So zeigt es der erste Punkt, bestätigt in den
Verhandlungen zwischen der Guerilla FARC und der nationalen Regierung, die
weiterhin in La Habana, Kuba, stattfinden.
Und es ist nicht umsonst. Die Ergebnisse der letzten Zahlenerhebung legen das
Ausmaß der Schere zwischen der Landbevölkerung und der Stadtzentren im Land offen:
20 % der Landbevölkerung zwischen 5 und 16 Jahre besucht keine schulische
Einrichtung: 72% der jungen Menschen zwischen 17 und 24 haben keinen Zugang zu
schulischer Bildung; und mehr als 11 % der Campesino-Bevölkerung über 15 Jahre
kann weder lesen noch schreiben.
Laut der Armutsstatistik bezüglich der ländlichen
Gebiete beträgt die Zahl der ärmeren Bevölkerung 44 %, das Doppelte der
nationalen Registrierung und fast drei mal so viel, wie die Armutsstatistik für
das Jahr 2014 für den urbanen Raum angab (15 %).
Mit dieser Situation sollte der kolumbianische Staat
eine größere Anstrengung wagen, um die Agrarpolitik zu veranlassen, in eine
Richtung zu lenken, die einen Reichtum in den ländlichen Zonen für die
Campesino-Familien erzeugt und sich darauf konzentriert, die schulischen
Bedingungen im Ländlichen zu verbessern.
Das 25. Nationale Treffen
der Bibliotheken der Familienkassen, „Bibliotheken für den Post-Konflikt“ (für
die Gestaltung des Friedens in der Zeit nach einem Friedensabkommen zwischen
Regierung und den Guerilla-Gruppen), welches kürzlich in der Stadt
Yopal-Casarane stattfand, stellte klar, dass die Landbibliotheken eine wichtige
Strategie erstellen könnten, um an die entlegensten Orte in Kolumbien zu
kommen.
Alfredo Mires Ortiz, Anthropologe, Verwalter und
Beisitzer des Netzes der Landbibliotheken in Cajamarca, Perú, war eingeladen
und stellte einige Hinweise vor, bezogen auf seine Erfahrung auf dem Land in
der Andinen-Zone, im Norden Perus. Eines der Dinge, das Aufmerksamkeit auf sich
zog,
war seine politische Vision des Lesens als eine Art Angelegenheit
der Würde der Campesinos. Mit klaren Beispielen veranschaulichte Alfredo Mires die
negativen Seiten, die die Landbewohner quälen, ausgehend von der
Diskriminierung, der sie seit Zeiten der spanischen Kolonie ausgesetzt sind;
als Beweis dafür regte Alfredo die Teilnehmer dazu an, sich Gedanken über die abwertenden
Bedeutungen zu machen, die sie zum Wort „ländlich“ erhalten, sogar durch das Wörterbuchs.
Jedoch ging Alfredo Mires weit über die Kritik hinaus
und fokussierte seinen Vortrag auf seine wunderbare Arbeit auf dem Land: das
Netz der Landbibliotheken in Cajamarca ist eine gemeinnützige Organisation, die
seit 1971 durch die Bildungs- und Kulturbewegung besteht, getragen von den Campesinos
in der Region Cajamarca, der Bewahrung ihrer uralten Werte gewidmet, die das
Buch und die mündliche Überlieferung als Werkzeuge nutzen. Diese Erfahrung
entwickelt sich durch verschiedene Tätigkeiten im Bildungsbereich in Bezug zum
Analphabetismus als solchem und zweckmäßigem Analphabetismus, was ermöglicht,
in der Bevölkerung die reflexiven Fähigkeiten durch das Lesen und seine Anwendung
im täglichen Leben zu entwickeln. Das Netz der Landbibliotheken ist in die
Mitte der Andinen-Zone hineingewachsen und es wird von den selben Campesinos
geführt, unter einigen Grundvoraussetzungen. Diese sind der Bücheraustausch,
freiwillige Arbeit, Beschlüsse durch die Gemeinde und das Fehlen von
Bürokratie.
Trotzdem ist meines Erachtens das Wichtigste des
Netzes der Landbibliotheken in Cajamarca, dass die Bücher, die sie austauschen,
nicht nur Klassiker der Allgemeinliteratur sind, die uns Geschichten von
anderen Orten in der Welt erzählen und in früheren Zeiten geschrieben wurden.
Die Bücher, die in den ländlichen Zonen Cajamarcas getauscht werden, sind
solche, die im Innersten dieser Gemeinden geschrieben wurden, eine Form, die
mündliche Überlieferung und ihre alten Bräuche auszudehnen. Die weitreichende
Bibliothek Campesina aus der Region Cajamarcas beinhaltet unzählige Titel, die
für die Tradition und die Würde eines Volkes begeistern, das dem Erliegen durch
die Flut von Modernität und Globalisierung standhält. So haben sie viele Seiten
dem Stoff gewidmet, den Kleidern, dem Lehm, ihren Tänzen, ihrer Musik, ihrer
Mythen, der Form, die Zeit zu begreifen, der Familie, der Medizin, den Tieren
und, natürlich, der Mutter Erde; das beste Buch, das es gibt und dass
erfordert, immer wieder gelesen zu werden, weil es die Urquelle des Lebens und
des Lebensunterhalts darstellt. So konzipiert die Gemeinde das Projekt der
Enzyklopädie Campesina, aus Cajamarca, Peru:
“Die mündlichen
Überlieferungen in unseren Gemeinden sind ein Glück. Dieses Wissen ist die
Kreativität und der Reichtum unserer Kultur. Wir bewahren dieses Erbe in allen
Gemeinden, auf dem Weg, den unsere eigene Geschichte schreibt. Wir sammeln die
Geschichten und Bräuche, um uns zu erhellen, uns zu bilden und uns alle
anzuregen, unsere Kultur durch das Projekt der Enzyklopädie Campesina wieder zu
würdigen“.
In diesem Sinne ist das
Netz der Landbibliotheken in Cajamarca (Peru) eine Erfahrung würdevoller
Arbeit, die in Kolumbien angesichts des Postkonflikts beachtet werden sollte.
Die größte Herausforderung des kolumbianischen Staates ist es nun, dem Land wieder
die Würde zurückzugeben, die es verdient und Strategien begünstigt, die es
erlauben, die Sichtweise auf das Ländliche als einfache Speisekammer, wo
Lebensmittel produziert werden oder aus denen fossile Brennstoffe gewonnen
werden zu stoppen; den Reichtum zu verstehen, den die Campesino-Bevölkerung
hat, ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Bräuche; und damit Entwicklung zu
begünstigen, damit die Menschen aufs Land zurückkehren und dort leben…
Wilson Flórez Valencia
Präsidentin der Bibliotheken der Familienkasse