16. November 2014

16. November: der Tag des “Hier sind wir” *

Sie hatten kein Geld.
Sie konnten
filigrane Geschichtenfäden,
Broschen,
Glöckchen,
schleifen, walzen, löten, gravieren,
aber kein Geld.
Und weil es kein Geld gab,
gab es weder Prositution,
noch Diebstahl.
Die Haustüren ließen sie offen.
Weder systemintegrierte Korruption noch Unterschlagung.
Es gab keinen
Verkauf von Indios (Ureinwohner).
Und es gab Chicha (Maissaft) für alle.
Ihr Geld war die Sonne, die
für alle schien.
Die Sonne, die für alle und jeden einzelnen ist,
bewirkt Wachstum.
Die Sonne ohne Inflation und Deflation:
Und nicht diese schmutzigen „soles“ (peruanische Währung, aber auch Plural von „Sonne“)
mit denen sie den Hilfsarbeiter bezahlen
(der dir für einen peruanischen Sol
seine Trümmer zeigt).
Und es gab keine Finanziere,
die Erschaffer ihrer Mythen.
Ein Wirtschaftssystem
ohne GELD.
Die Gesellschaft ohne Geld
von der wir träumen.
Gäbe es kein Geld,
müsste niemand an Hunger sterben.

Ernesto Cardenal: “Economía del Tahuantinsuyu” (“Wirtschaft von Tahuantinsuyu”)


* (in Erinnerung an den 16.November 1532, als die spanischen Invasoren zehntausende Indios ermordeten und ihren König Atahualpa gefangen nahmen; die Landbibliotheken gedenken an diesem Tag der Opfer,  feiern aber auch das Fortbestehen der peruanischen Kultur allen Widerständen zum Trotz)

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