25. Mai 2018

Fiorela liest

Vor einigen Tagen besuchte ich die Gemeinde Huarrago in der Provinz Cutervo, um einige der Kinder zu besuchen, die das Gemeindeprogramm für Kinder mit Behinderung an diesem Ort begleitet.
In Huarrago betreuen wir zwei Mädchen, Aldana und Fiorela mit einer infantilen Zerebralparese. Sie können an der inklusiven Schule der Gemeinde teilnehmen dank  der solidarischen Hilfe der Freunde in Deutschland, die die Kosten für eine Person auf sich nehmen, die den Mädchen hilft, auf Toilette oder in den Speisesaal zu gehen und später auf dem Weg nach Hause.
Beide Mädchen haben mit großer Anstrengung und der konstanten und gewissenhaften Hingabe ihrer Eltern gelernt, mit einer Gehhilfe, Stöcken oder der Unterstützung einer Person zu gehen.

Fiorela lernt in der Schule schnell und dieses Mal sagte sie zu mir, dass sie etwas für mich lesen möchte. Der Text, den sie dafür ausgewählt hatte, bewegte mich sehr: ich hatte diesen im Jahr 2007 für die Präsentation der ersten Ausgabe von Die Augen von Gabi von Alfredo Mires geschrieben. Der Text erzählt von einer Erfahrung, die ich als Kind mit meinem Papa erlebte. Als Fiorela ihn vorlas, war die unaufhaltsame Emotion nicht weniger.

Hier teile ich diesen Text mit euch:
Es war ein Sonntag im Sommer, einer dieser Tage, die dazu da waren, die Sonne zu genießen. Ich war sechs oder sieben Jahre alt und wir, eine Cousine, mein Papa und einige Freunde, machten eine kleine Wanderung. Wir hatten im Bach gespielt, hatten das Vesper verzehrt, das meine Mutter uns mitgegeben hatte und hatten  Lachen, Gespräche und Anekdoten ausgetauscht. Wir waren alle zufrieden und müde; es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.

Meine Cousine und ich waren die Kleinsten und noch blieb uns Kraft, ein Weilchen weiter zu springen und zu spielen, so nahmen wir meinen Papa, jede an einer Hand und begannen, den Hang hinunter zu rennen. Es war kein flacher Ort, es gab Löcher, Steine und Sträucher wie an jedem Ort auf dem Land. Wir rannten schnell, zogen an meinem Vater, dass er mit uns rannte... und kamen an einer Stelle weiter unten heraus mit erröteten Gesichtern und einem zufriedenen Herz.
Wieder zu Hause, erzählten wir aufgeregt meiner Mama, was wir vieles an diesem Tag genossen hatten und besonders diesen Moment, als wir mit meinem Papa diese Hang hinuntergerannt waren. Bis heute kann ich mich an das Erstaunen und die Sorge im Gesicht meiner Mutter erinnern: mein Papa war blind.

Rita Mocker
Verantwortliche des Gemeindeprogramms

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